Fachmagazin
Verwandlungskünstler – Im Test der X44 VTOL aus dem Hause Graupner
Die Verbindung eines Hubschraubersystems mit den Vorzügen eines Flächenflugzeugs ist eine der größten Herausforderungen in der Luftfahrt. Vorhandene Muster aus dem Mann-tragenden Bereich, wie die V22 Osprey des amerikanischen Militärs, ist eines der wenigen in Serie gebauten Muster. Graupner hat sich diesem Problem gestellt und mit der X44 VTOL ein Flugmodell dieser Kategorie entwickelt. Natürlich haben wir uns dieses spezielle Fluggerät genau angesehen.
Ein Flächenflugzeug mit VTOL (Vertical-Take-Off-and Landing) Eigenschaften ist eine ideale Kombination für ein Fluggerät. Starten und landen auf engstem Raum, ohne dass eine spezielle Start- und Landebahn benötigt wird und eine hohe Fluggeschwindigkeit mit stabilen Flugeigenschaften, wie man es von Flächenflugzeugen kennt. Die notwendige Technik, um die Physik dieser beiden so unterschiedlichen Fluggeräte zu überlisten, ist sehr komplex. Das Schwenken der Antriebsmotoren und das Umschalten vom Copter Mode zum Flächenflug sind eine enorme Herausforderung.
Der X44 von Graupner will genau diesen Spagat schaffen und wird als ARF oder als RTF Modell geliefert. Es handelt sich dabei um ein Vorbildloses Konzeptmodell. Der Rumpf ist aus geschäumtem Werkstoff und sieht ein wenig wie ein kleines Reiseflugzeug aus. Das Modell selbst wird absolut vollständig montiert geliefert, nur das Seitenleitwerk muss noch mit dem Rumpf verklebt werden. In der RTF Version ist absolut alles vorhanden was zum Fliegen benötigt wird, bei der ARF Version wird noch ein 4s 1300 mAh Antriebsakku und das Fernsteuersystem benötigt. Ich habe mich für unseren Test für die ARF Variante entschieden, die Graupner zum Preis von 459,99 Euro (UVP) anbietet.
X44 Konzept
Graupner hat sich für den X44 ein besonderes Konzept zur Realisierung der VTOL Eigenschaften ausgedacht. Insgesamt vier schwenkbare Rotoren, an zwei hintereinanderliegenden Tragflächen. An der hinteren der beiden Tragflächen befinden sich die Tailerons, die die Steuerung im Flächenflug übernehmen.
Im Quadrocopter-Mode sind die 4 Rotoren nach oben geschwenkt und der X44 lässt sich im Prinzip wie ein reiner Quadrocopter fliegen. Um in den Flächenflugmode zu gelangen werden alle 4 Rotoren waagerecht nach vorne gedreht und der Auftrieb wird durch die beiden relativ kurzen Tragflächen erzeugt. Wie angemerkt erfolgt die Steuerung im Flächenflug dann über die Tailerons am Heck des X44. Die vier Motorengondeln sind durch die beiden Flächen mit je einem drehbar gelagerten CFK Holm verbunden. Die beiden Holme in der vorderen und hinteren Tragfläche sind untereinander mit einem Gestänge verbunden, das durch ein zentrales Servo angesteuert wird. So können die vier Gondeln parallel geschwenkt werden. Die Mechanik ist simpel, aber vor allem stabil und clever gelöst. Sie verträgt auch mal einen härteren Stoß. Die 4 Motoren werden über eine spezielle Steuerelektronik angesteuert. Diese Stabi-Elektronik regelt nicht nur die 4 Motoren, sondern ist auch für das langsame Schwenken der Motorgondeln und die Ansteuerung der beiden Taileron-Servos verantwortlich.
Der von mir verwendete Graupner GR12 Empfänger speist die Signale der 5 Kanäle über seine Servosausgänge der Kanäle ein bis 5 in die Elektronik des X44 ein. Die Verbindung über einen seriellen Link wie PPM ist nicht vorgesehen, aber auch nicht notwendig. So kann jeder einfache Standardempfänger verwendet werden.
Aufbau
Im Prinzip ist das Modell out of the Box flugfertig, lediglich das Seitenleitwerk muss noch mit dem Rumpf verklebt werden. Der dafür notwendige Kontaktkleber findet sich ebenfalls im Lieferumfang – sehr löblich. Der Schritt ist in wenigen Minuten erledigt und es müssen nur noch die drei Fahrwerksbeine aus Stahldraht in die dafür vorgesehenen Halterungen am Rumpf geschoben werden. Auch eine Sache von Sekunden. Was bleibt ist die Montage des Empfängers unter einer großzügigen Klappe auf der umpfunterseite. Da ich einen Graupner GR-12 Empfänger verwende, müssen lediglich die Kanäle 1-5 über die installierten Kabel mit der Elektronik verbunden werden. Aber natürlich lässt sich die X44 mit jedem anderen handelsüblichen Fernsteuersystem fliegen, das seine Signale über die fünf Servoausgänge ausgeben kann. Die Programmierung des Senders hingegen ist vollkommen simpel. Lediglich der Kanal 5 muss einem Schalter zugeordnet werden, denn damit werden die vier Motorgondeln geschwenkt. Zudem sind die Kanäle für Seite Höhe und Quer zu invertieren. Ich habe Die Schwenkfunktion zunächst auf einen Schieber gelegt, damit ich jede Position beim Schwenken anfahren kann. Ich habe diese Funktion später jedoch auf einen Schalter gelegt. Der notwendige 4s Lipo mit ca. 1300 mAH passt sehr genau in den Akkuschacht und es wird so verhindert das der Akku sich verschieben kann. Selbst ein Klettband wird nicht benötigt.
Stabi-Elektronik
Der X44 verfügt über eine eigene spezielle Stabi-Elektronik. Sie dient nicht nur der Steuerung im Quadrocopter Mode, sondern hat auch eine Gyrofunktion im Flächenflugmode. Hier werden die beiden Tailerons entsprechend angesteuert. Diese stabilisiert die Fluglage auch im Flächenflug um eine gute Steuerbarkeit bei äußeren Einflüssen zu ermöglichen. Die Antriebsanordnung würde ein Fliegen ohne diese Unterstützung der Elektronik sicherlich auch bei Windstille unmöglich machen. Fraglos steckt in dieser Elektronik die eigentliche Innovation des X44. Denn sie schafft es mit diesen beiden so grundsätzlich unterschiedlichen Flugkonzepten zurecht zu kommen.
Flugeigenschaften
Wie kaum auf ein anderes Fluggerät war ich gespannt auf die Flugeigenschaften des Graupner X44. Ich fliege gerne Quadrocopter, Flächenmodelle und hin und wieder auch Helikopter. Laut Anleitung soll der X44 im Quadrocoptermode und im Flächenflugmode gestartet und gelandet werden können. Allerdings wird im Flächenflugmode eine glatte und etwas längere Piste benötigt. Denn aufgrund der kleinen Räder und der relativ hohen Flächenbelastung ist die Start- und Landegeschwindigkeit doch höher als bei vergleichbaren Modellen. Mit etwa 870 g Abfluggewicht ist die X44 kein Leichtgewicht.
Also starte ich den X44 im Quadrocoptermode. Nach dem Anstecken des Antriebsakku initialisiert sich die Elektronik und die Motorgondeln werden auf 45 Grad gedreht. Ist der Vorgang abgeschlossen meldet der X44 mit einer Reihe von Signaltönen die Bereitschaft und stellt die Gondel entsprechend dem Schalter für den Kanal 5 in die richtige Position. Beim Hin- und Herfahren der Gondeln fällt auf, dass die Rotoren in Flächenflugmode noch leicht nach oben zeigen. Das entspricht auch dem was in der Anleitung steht, denn dieser negative Sturz ist notwendig damit der benötigte Auftrieb im Flächenflug erzeugt wird.
Der Start im Quadrocoptermode ist vollkommen unspektakulär. Der X44 hebt ab und lässt sich wie ein normaler Quadrocopter steuern. Die Steuerreaktionen sind zwar träger im Vergleich zu einem reinrassigen Copter, aber alles in allem reagiert das Modell im Coptermode absolut gutmütig. Drehen, sinken, steigen und langsamer Flug in alle Richtungen sind problemlos möglich. Durch den großen Rumpf ist der X44 dann natürlich windanfällig und der X44 driftet in Windrichtung ab. Aber ich wiederhole mich. Er fliegt im Coptermode sehr gutmütig und problemlos.
Spannend ist der Moment, wenn es in den Flächenmode geht. Ich war anfangs etwas kritisch wie wohl der Übergang abläuft und ob starke Eigenreaktionen beim Schwenken der Rotoren entstehen. Aber es sei gesagt, die Konversion funktioniert ganz simpel. Die Steuerelektronik regelt die Schwenkgeschwindigkeit der Motorgondeln. Bei Schwenken gebe ich Gas und die X44 nimmt Geschwindigkeit auf. Natürlich darf man in diesem Moment den Schub wegnehmen, da ja für den Flächenflug Geschwindigkeit aufgenommen werden muss, aber instinktiv wird der Hebel nach vorne geschoben. Die Konversion funktioniert problemlos und das Modell ist ab diesem Zeitpunkt wie ein Flächenmodell zu steuern und unterliegt eben auch der Physik eines Flächenmodells. Die Grundgeschwindigkeit ist aufgrund der Flächenbelastung etwas höher als die eines Modells vergleichbarer Größe, aber der verfügbare Geschwindigkeitsbereich ist doch relativ groß. Die Steuereigenschaften im Flächenmode sind ähnlich träge wie es schon im Coptermode auffällt. Die X44 will etwas weiträumiger geflogen werden und ist nicht so wendig wie man es von einem Flächenflugmodell ähnlicher Größe kennt. Das ist natürlich eindeutig der Flächengeometrie und den vier Antriebsmotoren des X44 geschuldet. Das Flugverhalten ist aber keinesfalls kritisch. Nur die Gleiteigenschaften sind konzeptbedingt natürlich relativ schlecht, daher sollte die Mindestgeschwindigkeit nicht unterschritten werden. Ich habe bei meinen Tests auch versucht die Rotoren mit einem Proportionalgeber zu schwenken, Das hat sich aber als nicht praktikabel erwiesen, da das Modell mit einem Anstellwinkel der Gondel zwar nach vorne driftet aber dann nicht richtig gesteuert werden kann. Also macht es nur Sinn das Schwenken der Rotoren mit einem 2-Wegeschalter zu realisieren.
Der Flugspaß endet leider relativ schnell, nach 4 bis maximal 5 Minuten erreicht der Akku seine Kapazitätsgrenze. Die Landung sollte daher rechtzeitig eingeleitet werden, da eine kontrollierte Landung ohne Antriebsleistung nicht wirklich möglich ist.
Die Flugeigenschaften in beiden Flugmodi sind unkritisch, aber erfordern schon ein bisschen Erfahrung. Ein Anfängermodell ist der X44 nicht und das will sie auch gar nicht sein. In jedem Fall erregt die X44 Aufmerksamkeit auf dem Flugfeld und sorgt für geteilte Meinungen. Die Optik des X44 gefällt nicht jedem. Die Technik kann aber in jedem Fall alle begeistern.
Fazit
Mit dem X44 hat Graupner sich an der Quadratur des Kreises bei Flugmodellen versucht und Erfolg gehabt! Der X44 ist ein VTOL Flugobjekt, das sich gleichermaßen als Quadrocopter und als Flächenflugzeug bewegen lässt. Sicher fliegt er im Quadrocopter Mode nicht genauso agil wie ein reinrassiger Quadrocopter und im Flächenflugmode nicht genauso stabil wie ein Flächenflug Trainer. Aber beide Flugmodi und die Konversion im Flug funktionieren sehr gut und sicher. Ein technischer Leckerbissen für alle Modellflugpiloten, die außergewöhnliche Flugmodelle suchen. Mich hat die X44 begeistert und ich nehme sie immer gerne mit zum Flugplatz.
-> Link zum Graupner X44 auf der Internetseite von Graupner Modellbau
Technische Daten:Tragflächeninhalt ca.: 9,15 dm² Der Lieferumfang beinhaltet:X44 Flugmodell aus geschäumten Werkstoff
Wo kaufen?Bezug: Fachhandel
| +außergewöhnliches und innovatives VTOL Flugobjekt
-Flugzeit relativ kurz
Kontaktdaten Hersteller:Graupner/SJ GmbH |
Die Verbindung eines Hubschraubersystems mit den Vorzügen eines Flächenflugzeugs ist eine der größten Herausforderungen in der Luftfahrt. Vorhandene Muster aus dem Mann-tragenden Bereich, wie die V22 Osprey des amerikanischen Militärs, ist eines der wenigen in Serie gebauten Muster. Graupner hat sich diesem Problem gestellt und mit der X44 VTOL ein Flugmodell dieser Kategorie entwickelt. Natürlich haben wir uns dieses spezielle Fluggerät genau angesehen.